Interview mit Lorenz Matzat

LORENZ_MATZATWer bist du und was machst du?
Mein Name ist Lorenz Matzat und ich bin Journalist.

Dein aktueller Fang?
Land Matrix“ Es geht bei diesem Projekt darum, dass Informationen gesammelt werden, an welchen Stellen unserer Erde Grund und Boden an welche Konzerne verkauft werden. Das Projekt ist wirklich toll und zeigt vorbildlich, wie man sein Anliegen kommunizieren kann. Das finde ich großartig.

Warum hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk so viele Kinder? Wir denken u.a. an die Deutsche Welle. Kann der Programmauftrag bei so einer Patchwork-Familie überhaupt funktionieren?

Ja, warum nicht. Eine Patchwork-Familie hat wie alles Vor-und Nachteile. Ich glaube eher, dass das Publikum und die ÖR-Sender nicht wirklich im Dialog miteinander stehen. In der Vielfalt der Sender sehe ich nicht das Problem: Eher glaube ich, dass sich das Mediennutzungsverhalten rapide verändert: Die ÖR-Anstalten tun sich schwer damit, Schritt zu halten – und werden folglich ihrem Anspruch nicht gerecht. Dennoch gilt: Sie könnten es, denn die ÖR haben das Budget und Personal.

Viele Zuschauer sind enttäuscht, weil die Mediathek immer wieder entleert wird. Warum werden Inhalte, für die wir bezahlt haben, grundlos aus dem Netz gerissen? Was ist da los?

Einfach gesagt, war diese Entscheidung ein Lobby-Erfolg der Privatsender. Ich finde das unverschämt, weil abgabenfinanzierte Sendungen – für die wir bereits bezahlt haben – im Netz bleiben sollten.

Inwiefern bleiben die Möglichkeiten der Öffentlich-Rechtlichen deiner Meinung nach zurück?

Die ÖR bekommen rund 8 Milliarden im Jahr aus der Haushaltsabgabe, es gibt eine riesige Infrastruktur, um Neues auszuprobieren. Das Geld ist da. Daher sollten die Entscheider mehr Mut zeigen. Bei den ÖR gibt es ja eine vielschichtige Hierarchie und diverse Gremien (u.a. Verwaltungsrat/Rundfunkrat/Intendant), die experimentierfreudiger werden muss, wenn sich etwas ändern soll. Nehmen wir als Beispiel zdf_neo; dort wandern die Moderatoren ab. Eine andere Frage, die man sich stellen sollte: Warum ist das Durchschnittsalter der ÖR 60 Jahre? Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Entscheider gar nicht wissen, was bei YouTube eigentlich passiert und dass YouTube ein Teil des Fernsehens der Zukunft ist.

Wofür sollten die Öffentlich-Rechtlichen deiner Meinung nach ihr Geld ausgeben? Die Honorare von so manchem Talkshow-Moderator sind doch kaum zu rechtfertigen, oder?

Ich weiß nicht, was jeder einzelne Moderator bekommt. Zunächst gilt: Es muss Transparenz herrschen, damit wir darüber sprechen können. Diese Transparenz gibt es jedoch (noch) nicht. Die Bedingung bei den ÖR müsste daher lauten: Wer für die ÖR arbeiten will, sollte sein Gehalt offenlegen. Wer dies nicht möchte, sollte es bleiben lassen.

Warum gibt es „Open Data ARD ZDF“? Welches Ziel verfolgt die Initiative konkret?

Open Data ARD ZDF ist eine Bürgerinitiative, auch wenn dies möglicherweise altmodisch klingt. Es gibt zwei große Aufgabenstränge: Zum einen die Transparenz bei den Finanzen (Haushaltspläne sollen zugänglich und auch für Laien verständlich sein.) Auf der anderen Seite geht es um eine Art Schnittstelle – also darum wie viel Material, das durch den ÖR-Rundfunk finanziert wird, wieder vernichtet wird. Vernichtet ist vielleicht das falsche Wort: Weggeschlossen trifft es vielleicht eher -. Die ÖR sind an dieser Entscheidung aber auch nicht schuld, dies war eine politische Entscheidung.

Wo siehst du die Chancen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im digitalen Zeitalter?

Auf der einen Seite hat der ÖR Rundfunk riesige Archive mit spannenden Sachen. Diese zugänglich zu machen – zu historischem, kulturellem und politischem Wissen- sehe ich als große Chance. Auf der anderen Seite gibt es niemanden wie den ÖR-Rundfunk, der so gut ausgestattet ist – und daher auch zwanglos Möglichkeiten ausprobieren könnte. Er ist quasi ein Paradies im Vergleich zu vielen anderen Sendern und Redaktionen
Meiner Meinung nach bleibt der ÖR-Rundfunk weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Das finde ich schade, ich erwarte einfach mehr.

Wird es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in 20 Jahren noch geben?
Ja, den ÖR-Rundfunk wird es in 20 Jahren mit Sicherheit noch geben, er wird dann vielleicht nicht mehr >Rundfunk< heißen. Der Begriff ist meiner Ansicht nach genauso unzulänglich wie >Telemedien< und in 20 Jahren ist der Begriff dann auch bereits über 100 Jahre alt.
Bist du – was den Stand der digitalen Möglichkeiten angeht – verwirrt oder glücklich?

Ich bin glücklich.

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